Von dem Mut, Demut zu zeigen oder von der Gesinnung eines Dienenden 


Vor kurzem fragte mich eine Freundin, was für mich Demut bedeute. Ich erwiderte, dass für mich, ein demütiger Mensch jemand sei, der sich seiner Person und seiner Bedeutung, aber auch seiner „Kleinheit“ (im positiven Sinne) bewusst sei. Ein Mensch, der dankbar für die Geschenke des Lebens ist, der (oft auch im religiösen Sinne), Gott (oder wem auch immer) dankt und der sich geistig nicht über andere Menschen stellt. Für mich ist Demut ein Merkmal, das ich bewundere und das nur wenige Menschen besitzen, die ich kenne. Einer meiner guten Freunde, Maxim, ist für mich der Inbegriff der Demut. Aber Demut ist eine verlorengegangene und doch so wichtige Tugend, nach der sich viele wieder sehnen. Mich eingeschlossen. 


Früher war ich demütiger, das gebe ich zu. Egal, wie schwer die Situationen in meinem Leben waren, ich habe immer das Positive gesehen und bin dankbar für das Gute gewesen. Vor dem Schlafengehen habe ich, wie ein Ritual, immer die Hände gefaltet und dem lieben Gott für alles gedankt, was mir widerfahren ist- dadurch habe ich, unbewusst, meine Konzentration auf das Positive gelegt und bin nicht so sehr in negative Gedankenmuster gefallen. Habe ich die Hände vor Müdigkeit nicht gefaltet, bin ich nicht eingeschlafen. 


Heute fehlt mir manchmal die Demut. Auf Kuba bin ich hier wieder begegnet- Señora Demut war allgegenwärtig. Wenn Du im Supermarkt Wochen keine Milch findest und auf einmal steht da eine Milchtüte vor Dir und lächelt Dich an- dann wirst Du ganz schnell demütig- vor dem, was Du in Deutschland in Überfluss hast und was keineswegs selbstverständlich ist. Wenn Du siehst, wie die Menschen aus wenig viel gestalten und trotzdem tanzen als ob es kein Ende gäbe- dann steht Señora Demut an der Ecke und sieht strahlend zu. Wenn Du dann nach Deutschland zurückkommst und den Reichtum und die Auswahl siehst, dann hälst Du inne und bist dankbar. Für all das, was wir besitzen und oft nicht brauchen. Señora Demut geht Hand in Hand mit Señor Dienen die Straße entlang. Denn Demut kommt aus dem Althochdeutschen und bedeutet „Gesinnung eines Dienenden“.


Für mich sind die beiden ein perfektes Paar- Demut & Dienen. Weil Du Dir Deiner eigenen Grenzen bewusst bist- sowohl im sozialen als auch religiösen Kontext. Im sozialen Gefüge heißt das, dass Du Deine Belange nicht über die der anderen stellst, sondern der Gruppe „dienst“- auch wenn dieses Wort heutzutage einen eher negative Konnotation hat, so frage ich mich: warum? Warum ist dienen per se denn schlecht? Jesus hat gedient, der Dalai Lama dient, Nelson Mandela hat gedient, ebenso wie Mahatma Gandhi und Mutter Theresa. Sie haben Gott oder den Menschen, ihrem Volk oder der Liebe gedient. Und sie waren außergewöhnliche, starke, in sich ruhende Persönlichkeiten, die die Bedeutung des Dienen begriffen haben. 


Heute scheint Dienen eine verpönte Eigenschaft, gerade in unser kapitalistischen Gesellschaft. Wir geben nur, wenn wir was dafür bekommen?! In Afghanistan, dem Land meines Vaters, ist das Dienen normal- die Kleinen bedienen die Älteren, die Frauen bedienen die Männer oder anders herum, und die Gastgeber bedienen die  Gäste in einem übereifrigen Maße, das man hier in Deutschland nicht mehr kennt.


Ich mag das Dienen. Wenn es aus freien Stücken kommt und genau hier steckt der Haken. In den meisten Fällen dienen wir nur, wenn wir etwas dafür bekommen. Anerkennung, Liebe, Geld, Wertschätzung. Aber das bedingungslose Dienen ist eines der schönsten Dinge, die es gibt. Weil es von Herzen kommt, aus purer Lieber zu dem Lebewesen, dem Menschen, der Dir gerade gegenübersteht. Und Dein Gegenüber spürt, wenn Du aus tiefstem Herzen gibst- sei es, wenn Du dem anderen eine Massage gibst, die er sich verdient hat. Ein schönes Essen zubereitest und es mit Liebe dekorierst. Wenn Du Dich beim Sex hingibst und den anderen verwöhnst, ohne etwas dafür zu verlangen. Wenn Du dem anderen stundenlang zuhörst und einfach seine Hand hälst. Wenn Du einen Welpen stundenlang die Ohren kraulst  oder mit einem Kund den ganzen Tag nur Blödsinn machst.


Ich vermisse das bedingungslose Dienen, wirklich. Früher habe ich eifriger gedient und es war schön- heutzutage denke ich viel mehr darüber nach und dadurch wird es künstlich. Ich möchte wieder mehr dienen. Ich möchte wieder demütiger und staunender durch die Welt gehen. 


Sag, wem hast Du in letzter Zeit Deine Dienste gegeben ohne was dafür zu verlangen? Wann warst Du das letzte Mal demütig? Für was bist Du wirklich wirklich dankbar? Vielleicht beantwortest Du die Fragen heute vor dem Schlafengehen, ich bin mir sicher, Du wirst schöne  Träume haben. Schlaf sanft...


(Danke an Nina für die Inspiration)



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